Wildökologie

Wildökologie

Solides Wissen in diesem Bereiche ist für den Jäger unerlässlich. Das Wild ist mit seinem Lebensraum – der Umwelt – den Aktivitäten der Menschen so vielfältig und untrennbar verbunden, dass ohne diese Kenntnisse der Jäger und seine Partner nicht in der Lage sind, entsprechend zu agieren und zu reagieren. Leidtragende sind das Wild, die Umwelt und der Mensch. Bedeutung für den Jäger  Es ist das oberste Ziel der Jagd, einen artenreichen und gesunden Wildbestand zu erhalten (Auftrag zur Wilderhaltung) und gleichzeitig auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft Rücksicht zu nehmen (Auftrag der Wildschadensverhütung). Diese beiden Gesetzesaufträge (Jagdgesetz), die ein Gleichgewicht zwischen Wildbestand und Tragfähigkeit des Lebensraumes zum Ziel haben, erfordern eine gute Kenntnis der Auswirkungen auf Wildtiere (jagdliche, forstliche und landwirtschaftliche Massnahmen, Beunruhigungsfaktoren usw.) und ebenso über die Rückwirkung der Tiere auf die Umwelt (Wildschäden an der Vegetation, Insektenvertilgung durch jagdbare Tiere usw.). Der Lebensraum ist gleichsam die zweite Haut des Wildes. Sie wird durch Eingriffe des Menschen in den Naturhaushalt entscheidend verändert. Die frei lebenden Tiere reagieren sehr unterschiedlich auf die Veränderungen in der Umwelt. Manche sind dadurch vom Aussterben bedroht (Rauhfusshühner, Rebhuhn, Hase usw.). Andere finden sich mit den Bedingungen unserer Kulturlandschaft gut ab oder neigen sogar zur Uebervermehrung mit entsprechenden Schäden an der Vegetation (z.B. verschiedene Schalenwildarten, Schadinsekten, Krähen, Steinmarder usw.). Die natürlichen Regelmechanismen zwischen Wildtier und Lebensraum werden durch den Menschen so stark gestört, dass wir die entscheidenden Probleme ohne ausreichendes Wissen über wildökologische Zusammenhänge nicht mehr bewältigen können. Nur wenn diese Kenntnisse vorhanden sind, ist es möglich, eine umweltbewusste Wildhege und Wildstandregulierung durchzuführen. Der Jäger soll bei jagdlichen Massnahmen vermehrt wildökologische Erkenntnisse berücksichtigen. Er soll sich im Interesse eines hohen kulturellen Stellenwertes der Jagd eine möglichst ganzheitliche Sicht der Zusammenhänge zwischen Wild und Lebensraum aneignen. Es muss zu einer besseren Verständigung zwischen den verschiedenen Interessentengruppen der Landeskultur (Land- und Forstwirtschaft, Fremdenverkehr, Jagd usw.) sowie zwischen Wissenschaft und Praxis kommen. Dazu ist es erforderlich, eine gemeinsame Sprache zu sprechen und bereit zu sein, einander zu verstehen. Als Rüstzeug zur Behandlung wildökologischer Fragen sollen daher für den Jäger wichtige Fachbegriffe erklärt werden. Biotop  Ist der Lebensraum, der von einer bestimmten Lebensgemeinschaft = Biozönose zum Leben benötigt wird. Entweder nur verschiedene Tierarten oder nur Pflanzenarten oder auch Tiere, Pflanzen und Menschen gemeinsam (z.B. Auerwildbiotop). Ökosystem  Ist Biotop und Biozönose zusammen. z.B. Ökosystem ERDE Ökosystem MEER, SEEN, Ökosystem WALD, STEPPE. Kleinökosysteme: Bergmischwald, Auwald, Feldgehölze u.a.  Ökologie  Wissenschaft und Lehre von der Beziehung der Lebewesen zu ihrer Umwelt.  Wildökologie  Befasst sich mit den Tieren der freien Wildbahn und ihren Beziehungen zur Umwelt (auch mit nichtjagdbaren!)  Habitat  Ist der Wohn- und Aktionsraum (Aufenthaltsgebiet), in dem Tiere (oder Pflanzen) einer bestimmten Art regelmässig vorkommen. z.B. Rehwildhabitat, Winterhabitat, usw.  Habitatsqualität: z.B. ist ein Feuchtgebiet für Fasanen besser als für Rebhühner (trocken).  Die wichtigsten Habitatselemente  Klima, Geländeform, Nahrungsangebot, Beunruhigung, Einstand (Wohnraum und Deckung)  Arten der Biotoptragfähigkeit  A) Ökologische – biologische ist die maximale Anzahl an Wildarten einer Art, die überhaupt in einem bestimmten Gebiet leben können. B) Schadensabhängige (wirtschaftliche) ist die maximale Anzahl der Wildtiere, die vorkommen können, ohne dass untragbare Wildschäden entstehen.  Biotoptragfähigkeit – Schalenwildbewirtschaftung – Abschussplanung  In Gebieten, in denen Rot-, Reh- und Gamswild oder Schwarzwild vorkommen, ist die schadensabhängige Tragfähigkeit des Biotops für diese Arten in der Regel wesentlich geringer als die biologische. Bei anderen Wildarten, z.B. Auerwild, Rebhuhn oder Hase, ist es umgekehrt. Tragbar ist die Wilddichte dann, wenn sie sowohl ökologisch-biologisch als auch wirtschaftlich-schadensabhängig angemessen ist. Veränderung der Biotoptragfähigkeiten  Winter – Sommer, forstliche Massnahmen, touristische Massnahmen, landwirtschaftliche Massnahmen, ungünstige bzw. günstige Witterung, Verbesserung oder Verschlechterung der Habitatsqualität. Ökologische Sukzession  Beispiel: Waldbestand oder aufgelassene Weide und nachfolgende wechselnde Pflanzengesellschaften. Jedes Bewuchsstadium – z.B. Brandfläche – Kräuter, Gräser – Stauden und Sträucher – Primärbaumarten – Mischwald, hat seine eigene Tierwelt. Wildbestand  Ist die Summe der Einzeltiere einer Art, die sich zu einer bestimmten Zeit oder im Durchschnitt eines Jahres innerhalb einer vom Menschen festgelegten Besitzgrenze (Jagdgrenze, Reviergrenze) befinden. Wildpopulation (ökologisch bedeutungsvoller)  Ist eine Fortpflanzungsgemeinschaft einer Art. Zwischen den verschiedenen Populationen bestehen keine oder nur seltene Kontakte, bzw. genetische Verbindungen (Vorarlberg – Rotwildräume) Populationsstruktur  Ist die Zusammensetzung einer Wildpopulation zu einem bestimmten Zeitpunkt  A) Wilddichte z.B. 10 Rehe pro 100 ha, B) Verteilung der Tiere im Raum, C) Geschlächtsverhältnis, D) Altersverteilung Bestandespyramide: Ist die Darstellung aller Zusammenhänge in der Population, z.B. Alter, Geschlecht, Zuwachs, Abschuss. Populationsdynamik  Ist die zeitliche Veränderung der Struktur. Faktoren der Veränderung sind: Fruchtbarkeit, Sterblichkeit, Zu- und Abwanderungen. Mit zunehmender Dichte nimmt der Zuwachs ab. Wird die Wilddichte durch vermehrten Abschuss oder durch Seuchen gesenkt, so erhöhen sich die Zuwachsraten. Kompensatorische Sterblichkeit  Die Sterblichkeit einer Population ergibt sich aus verschiedenen Ursachen (Altersschwäche, Krankheit, Parasitenbefall, Nahrungsmangel, Raubfeinde, Abschuss, etc.). Entfällt in einem Lebensraum ein bestimmter Sterblichkeitsfaktor z.B. Abschuss oder Raubfeinde, so werden andere Faktoren (z.B. Krankheit, Nahrungsmangel) umso stärker wirksam. Umgekehrt! – Vermehrter Abschuss wird ebenfalls kompensiert (Rehwild!). Jagdbarer Überschuss: Geburtenzahl minus Jungwildausfälle bis zum Beginn der Schusszeit – minus sonstiges Fallwild vor und während der Schusszeit – minus geschätztes Fallwild nach der Schusszeit (Winterverluste). Jede Wildpopulation wird durch zahlreiche Umwelteinrichtungen dezimiert. Einen Teil davon kann der Jäger übernehmen (jagdlich nutzbarer Zuwachs) – jagdlicher Überschuss.  Verminderung des jagdlichen Überschusses  A) im Niederwildrevier: ungünstige Biotopeigenschaften, Witterungseinflüsse, landwirtschaftliche Maschinen, Umweltgifte, Strassenverkehr, Raubwild und Raubzeug B) in Gebirgsrevieren: Witterungseinflüsse, Maschinen in der Setzzeit, Strassenverkehr, Hindernisse, die zu Fasswild führen (Zäune, Leitungen, usw.), Raubwild und Raubzeug. Jagdlicher Überschuss – kompensatorische Sterblichkeit: Werden Stücke durch Abschuss entnommen, so verlieren die anderen Sterblichkeitsfaktoren an Wirkung und der Zuwachs der Population wird angekurbelt. Regelmechanismen zwischen Wildtieren und Umwelt  A) Räuber – Beutebeziehung: (Wolf – Rotwild; Rotwild – Äsungspflanzen, usw.) B) Konkurrenz zwischen verschiedenen Arten: (z.B. Rehe – Rotwild; Fasanen – Rebhuhn) oder innerhalb der eigenen Art: Raum – Äsung – Nistplätze C) Nahrungsketten: (z.B. Käfer frisst Pflanze; Rebhuhn frisst Käfer; Fuchs frisst Rebhuhn; Uhu frisst Fuchs!) Natürliche Regelmechanismen funktionieren nicht mehr voll  Übervermehrung, Aussterben, es fehlen wichtige Glieder im natürlichen Regelkreis  Bioindikator  Wildtiere reagieren empfindlich und typisch auf Veränderungen der Umwelt. Sie zeigen diese frühzeitig an – Frühwarnsystem.  Wildökologische Hauptprobleme im Lebensraum Wald – Gebirge  Tourismus, naturferne Forstwirtschaft, Schalenwildproblem, Waldsterben  Waldsterben – Wildschäden  Alter Wald ist mehr betroffen als Jungwald, daher natürliche Verjüngung notwendig. Jungwald und nachwachsender Wald dienen dem Wild als Einstand und Nahrung. Wildökologische Probleme im Lebensraum Grünland und Acker  Intensive Landwirtschaft, Lebensraumzersplitterung, Rückgang des Niederwildes, Räuber-Beutebeziehung (z.B. Greifvogelproblematik). Wildökologische Hauptproblem im Lebensraum Gewässer und Sümpfe (Feuchtgebiet)  Gewässerregulierung, Entwässerung der Feuchtgebiete (Birkwild), Gewässerverschmutzung (Giftstoffe), Kraftwerkbau Aufgabe der Jagd bei der Regulation der Wildtier – Umweltbeziehung  Landschaftsvielfalt und Artenerhaltung, Lebensraumvielfalt im Revier schaffen, Artenreichtum nicht möglichst hohe Wilddichte, Überhege einzelner Arten führt zu hohem Konkurrenzdruck auf andere Tierarten oder auf Pflanzenarten, Rückgang bzw. gebietsweise Aussterben verschiedener Pflanzen sowie jagdbarer und nichtjagdbarer Tiere (z.B. Fasan verdrängt Rebhuhn, Rot- oder Schwarzwild verdrängen Rehwild)